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Feddersens Odyssee
Peter Feddersens Leben lief in streng
geregelten Bahnen. Er war Mitte 40, hatte eine
fleißige Frau, zwei süße Töchter, und einen
sicheren Job. Bei Peter Feddersen hatte alles
seine Zeit, das Aufstehen, das Arbeiten, das
Mittag essen, wie auch das Schlafen.
Sein Zeitplan duldete keine Abweichung, sei sie
auch noch so kurz. So aber geschah es an einem
kalten Donnerstag im November.
Wie immer war er um 18.30 Uhr gerade dabei sein
Büro zu verlassen, als die mollige Praktikantin
hinein gestürmt kam und er direkt in ihre dicken
Glocken hinein raste. Es waren enorm dicke
Glocken und sie waren sehr weich. Feddersen lief
rot an, aber die Praktikantin grinste nur und
wich nicht aus der Tür. Er versuchte links
vorbei zu kommen, er versuchte rechts
vorbeizukommen, aber es gelang ihm nicht. Als
Feddersen immer nervöser wurde, wisch die
Praktikantin doch noch aus der Tür, aber da war
er bereits drei Minuten in Verzug und das Unheil
nahm seinen Lauf.
Feddersen hechtete durch die Empfangshalle am
Pförtner vorbei, ohne diesem wie üblich einen
schönen Abend zu wünschen, und rannte so
schnell er konnte zur Bushaltestelle. Er sah den
Bus der Linie 60 noch, den er üblicherweise nahm
und sein alter Bekannter der Busfahrer Willy
Otremba hätte gewiss noch auf ihn gewartet, aber
da lief er über eine vereiste Stelle auf dem
Bürgersteig und fiel auf die Schnauze. Vom
Asphalt aus musste er zusehen, wie die Linie 60
ohne ihn losfuhr. Die nächste 60 würde erst in
einer Stunde kommen. Feddersen würde also die
Linie 13 nehmen und dann durch den Park laufen
müssen.
Von vorne nähert sich ihm eine junge hübsche
Frau und half ihm beim Aufstehen. Ihre Lippen
waren sinnlich und dunkelrot. Sie lächelte und
lief weiter. Er schaute ihr hinterher. Ihr
hübscher Hintern wackelte in ihrer engen Hose
und sie pfiff ein sehr schönes Lied - allerdings
mit sehr falschen Tönen.
Zehn Minuten später stieg Feddersen in die Linie
13, die von einem riesigen Busfahrer mit nur
einem Auge gelenkt wurde. Feddersen fand das
bedenklich und blieb aufgeregt vorne stehen um
den Bus notfalls auf die Straße zurückzulenken.
Aber der Einäugige schlingerte den Bus sicher
durch den Feierabendverkehr und Feddersen stieg
heil beim Nordtor des Stadtparks aus.
Es war bereits dunkel und es gefiel Feddersen gar
nicht in der Finsternis durch den Park zu irren,
aber er wollte endlich nach Hause. Kein Mensch
außer ihm war unterwegs und auch kein Vogel war
mehr zu hören, nur ab und an raschelte es
zwischen den Bäumen. Bis Feddersen plötzlich im
Schein einer Laterne eine Herde von Schweinen
sah. Als er näher kam schienen sie ihn
unbestimmt an seine Arbeitskollegen zu erinnern,
besonders die dicke Sau ähnelte sehr der
Praktikantin. Er kniff die Augen zu und die
Schweine waren verschwunden. Erleichtert atmete
Feddersen auf. An Stelle der Schweine erschien
jedoch eine leichte Dame halb nackt im
Laternenschein und versuchte Feddersen zu
becircen. Fast wäre ihr das auch gelungen, aber
als er auf ihre Möpse sah, die noch größer
waren als die Glocken der Praktikantin, fing er
an zu rennen und kam bald aus dem Park hinaus und
auf seinen gewohnten Weg zurück. Er sprintete
die Goethe-Straße entlang, raste links in die
Nord-Alle und bog scharf in die Lindenstraße
ein, bis er endlich die Hausnummer 22 erreichte.
Zu Hause.
Eine letzte Herausforderung wartete dennoch auf
Feddersen, mit mittlerweile eiskalten Finger
musste er mit dem Schlüssel das kleine Türloch
treffen. Aber er war schon immer ein guter
Schütze gewesen und traf beim ersten Versuch.
Endlich betrat er sein Haus, und musste
feststellen, dass sein Abendessen schon kalt und
leicht verbrannt war. Seine Töchter, wie auch
seine Frau Hermine waren bereits zu Bett
gegangen. Hat sie sich denn überhaupt keine
Sorgen gemacht, fragte Feddersen sich, immerhin
war er, er schaute auf die Uhr, 22 Minuten zu
spät. Ohne noch etwas zu essen kroch er ins
Ehebett und da er sich nach seinen Abenteuern
nach etwas Zuneigung und Trost sehnte, tat er
etwas, was er lange nicht mehr getan hatte - er
kuschelte sich an die Schultern von Hermine.
Diese schlug ihre Augen auf und in jenem Moment
bemerkte Feddersen wie schön sie noch immer war,
und er tat etwas, was in seinem Zeitplan schon
lange keinen Platz mehr gefunden hatte. Aber an
jenem Abend war es sowieso schon egal, also tat
er es - er gab Hermine einen dicken Schmatzer.
So kam es das Feddersen das erste Mal seit sieben
Jahren Sex mit seiner Frau hatte. Und alles nur,
weil er drei Minuten später wie üblich aus dem
Büro gekommen war. Fortan nahm es Feddersen
nicht mehr so genau mit der Zeit.
© Lars Rindfleisch
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