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Das Leben eines Teddys
Das Zimmer in dem Marco lebt ist so geräumig,
dass er viele hundert Mal hineinpassen würde.
Zwischen riesigen Schränken und einem Bett von
beachtlichem Ausmaß befindet sich ein großes
Bücherregal. Dort ganz oben direkt auf einem
Abenteuerroman sitzt Marco.
Marco ist ein Teddy. Sein Kopf knickt nach vorne
wie eine verwelkte Blume und auch die kleinen
weißen Füßchen und Händchen, die aus seinem
roten Gewand herausschauen, hängen schlaff an
seinem Körper. Sein rotes Gewand ist vergilbt
und an manchen Stellen eingerissen. Auch sein
Gesicht hat einige Narben davon getragen. Die
zweiundzwanzig Jahre seines Lebens haben ihn
sichtbar gezeichnet.
Seine roten Ohren hat er aufmerksam aufgespannt
und seine treuen Augen blicken fast etwas
traurig. "Hab mich lieb!", scheinen sie
zu sagen.
Bis zu jenem Moment bestand Marcos Leben aus
warten. Fast immer befand er sich in dem
geräumigen Zimmer. Früher allerdings hatte er
sich noch in dem Bett beachtlichen Ausmaßes
aufgehalten. Meist war er dabei in Gesellschaft
anderer flauschiger Wesen gewesen, an wenigen
Tagen auch alleine. Tagaus tagein richtete er ein
Auge auf die Zimmertür, in der Erwartung sein
bester Freund Lars, der über zehn Köpfe
größer als er war, würde bald durch sie
hindurch kommen. Marco freute sich immer,
erschien Lars dann tatsächlich.
War es Schlafenszeit kroch Lars zu Marco ins Bett
, drückte ihn an sich, küsste ihm auf die
Stirn, knuddelte ihn, benutze ihn als Kopfkissen
oder wirbelte ihn durch die Luft. Am nächsten
Morgen fand sich Marco dann oft am Fußende
wieder oder auch auf dem Boden. Aber auch des
Tags gesellte sich Lars oft zu Marco, drückte
ihn an sich, küsste ihm auf die Stirn, knuddelte
ihn, benutzte ihn als Kopfkissen oder wirbelte
ihn durch die Luft. Beschwingt erhob sich Lars im
Anschluss.
Wann immer Lars erschien, Marco war da. So machte
er viel mit, aber er war zäh. Viele lange Jahre
überstand er diese hohe Beanspruchung ohne je
ernsthaften Schaden davonzutragen oder sich zu
beschweren. Verletzte er sich einmal nahm ihn
Lars mit zu einer alten Dame, die seine
klaffenden Wunden mit Nadel und Faden verarztete.
Die alte Dame erwies nicht nur als Ärztin,
sondern auch als Schneiderin Talent. Wies Marcos
rotes Gewand viele Löcher auf stopfte sie diese
oder ersetze seinen Umhang durch einen neuen.
Zusammen mit Lars erlebte Marco viele
Abenteuer. Gemeinsam gingen sie auf Reisen quer
durch Deutschland. Marco reiste in riesigen
Rucksäcken oder Koffern, die sich in einem noch
größeren Gefährt befanden, das sich von selbst
bewegte. Lars nannte es Auto. Irgendwann nach
einem Urlaub verpasste Marco das große Gefährt
und musste in einem gigantischen Päckchen
nachreisen. Es war stockfinster darin und Marco
war sehr erleichtert als sich das Päckchen
wieder öffnete und Lars ihn mit einem
strahlenden Lächeln begrüßte.
Eine weitere brenzlige Situation überstand Marco
als ihn eines Tages eine große Frau nahm, in
einen Kissenbezug stopfte und dann in eine
riesige Maschine warf in der er mit Wasser
bespritzt und wie wild durchgeschleudert wurde.
Die Flüge durch die Luft, die er Lars zu
verdanken hatte, waren nichts dagegen. Pitschnass
kam er nach einigen aufregenden Minuten
schließlich an einer langen Leine zu hängen. Es
gefiel ihm nicht, wie er da so an seinen Ohren
festgehalten wurde und er war heilfroh als er
endlich Lars auf sich zurennen sah. Dieser
schaute schockiert als er Marco dort hängen sah,
befreite ihn und drückte ihn ganz fest an sich.
Marco fand es wunderbar seinem besten Freund so
nahe zu sein.
So um diese Zeit wurde Marco auch für ein Jahr
zum Präsidenten eines Clubs gewählt, der von
Lars geleitet wurde. Dies war mit Sicherheit ein
Höhepunkt in seinem Leben. Die schönsten
Momente aber waren für Marco jene die er mit
Lars verbracht hatte. Stets war Marco sich
sicher, dass er und Lars noch viel zusammen
erleben würden.
Lange Jahre war es auch so. Eines Tages
jedoch, nahm Lars ihn und setzte ihn auf das
Bücherregal. Seitdem sitzt Marco dort oben und
sieht Tag für Tag vorbeiziehen. Sein Blick noch
immer gen Tür gerichtet. Lars betritt auch
weiterhin oft das Zimmer allerdings ohne zu Marco
hochzuschauen. Nur manchmal, ganz selten kommt
Lars noch vorbei und streichelt ihm über den
Kopf. Marco wird immer auf ihn warten.
© Lars Rindfleisch
"Das Leben eines
Teddys" ist eine Hommage an meinen Teddy.
"Lange bevor ich
erwachsen wurde, lehrte mich ein Teddy, was Liebe
wirklich heisst: nämlich da zu sein , wenn man
gebraucht wird."
(Jim Nelson)
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