Texte von Lars Rindfleisch
       
       
 

Wasser und Feuer
Beobachtungen in Biebrich

Ich saß am Rheinufer. Auf einer kleinen Mauer direkt bei der Ablegestelle des Rheinschiffchen "Tamara". Der Wind wehte mir um die Nase und es fröstelte mich leicht. Ich kramte meinen Pullover aus dem Rucksack. Rasch wurde mir wärmer. Ich hatte Gesellschaft von einer hübschen, kleinen Betonfigur, die seit neustem anscheinend dort auf der Mauer ihr Lager aufgeschlagen hatte. Es war eine Sie, mit kurzen blonden Haaren, einer kleinen Krone und einem roten Näschen. Sie hatte den Blick von mir abgewandt und schaute verträumt auf den Fluß. Ich saß nicht weit enfernt von ihr und tat es ihr nach. All das hatte ich schon so oft gesehen, doch ich saß immer wieder gerne dort. Der Rhein der ruhig in seinem Bett fließt, nur ab und an von einem Schiff ein wenig aufgepeitscht. Die kleine Insel auf der anderen Seite. Die nicht weit entfernte Rheinbrücke.

Eine kleine Wandergruppe alter Damen kam vorbei. Es wurde viel getratscht und gelacht. Ich schnappte auf wie eine gerade von Langnese Cremissimo schwärmte, das sich so schön leicht aus der Verpackung holen ließe. Vor der Figur blieben sie stehen und bestaunten sie.
"Die friert ja.", stellte eine Dame, deren Hosenbeine hochgefaltet waren, fest. "Hat ja auch schon eine ganz rote Nase."
"Aber sie hat doch ein lange Hose an.", meinte eine andere.
Ein paar Nachzüglerinnen gesellten sich noch dazu. Eine rief mir lachend hinauf:
"Sie ist tot. Die wacht nicht mehr auf." Allgemeine Erheiterung. "Da kann man nichts mehr machen."
Eine Weile blieb die Gruppe noch dort stehen und taufte die Figur auf "Mauerblümchen". Irgendwann waren sie dann endlich weg, ohne dass ich es mitbekommen hatte. Mittlerweile war ich froh, dass ich mich nicht direkt neben Mauerblümchen gesetzt hatte, denn jeder Passant betrachte sie interessiert. Ich fühlte mich jetzt schon reichlich deplaziert. Zum Glück waren nicht viele Leute unterwegs.

Später stieg ich auf mein Fahrrad und kämpfte mich gegen Einbahnstraßen in Richtung Ortsmitte. Noch bevor ich eine der Hauptsraßen erreicht hatte, sah ich aus einiger Entfernung plötzlich eine Wand aus Rauch. Als ich näher kam konnte ich dann aus einem der Hinterhöfe stark Qualm aufsteigen sehen. Ich sah kein Feuer, doch so starker Qualm konnte nur einen Brand bedeuten. Ein Stück weiter sah ich, dass bereits ein Rettungswagen eingetroffen war und die Polizei die Straße absperrte. Wie praktisch, dass die Polizeistation noch in der selben Straße lag. Nach und nach trafen unter lautem Sirenengeheul dann auch Feuerwehrwagen ein. Verschiedene kleine und zwei große. Ich ging weiter und beobachtete interessiert das Verhalten der Leute. Überall blieben sie stehen und schauten. Ein kleiner Junge und sein großer Bruder kamen mir entgegen gerannt um näher ans Geschehen ranzukommen. Auf einem Balkon im Rathaus erkannte ich die Damen vom Einwohnermeldeamt, die sich den Hals ausreckten um mehr zu erkennen. Aus einem Friseursalon kamen zwei hübsche Frisösen um ebenfalls nach dem Feuer Ausschau zu halten, bis eine weiter Frisöse mit genervtem Blick rauskam:
"Kommt jetzt rein! Ihr sollt hier nicht gaffen, sondern arbeiten!"
Ich betrachtete kurz die Preise des Friseursalons, die nicht ohne waren und drehte dann um und ging erneut auf den Brandherd zu, ebenso neugierig wie die restliche Bevölkerung Biebrichs. Eine Frau lachte über ihr Kind, das wie von ihr erwartet ganz begeistert von der Feuerwehr war. Diese schloß mitlerweile einen Schlauch an einen Hydranten an um mit dem Löschen beginnen zu können. An der Ecke wo es brannte hatte sich mittlerweile eine kleine Ansammlung von Menschen gebildet. Die meisten einfach schweigend und staunend. Ich kämpte mich mit meinem Rad durch die Menge, vorbei an zwei Jugendlichen, die über einen Feurwehrmann scherzten. Vor dem Schloßpark drehte ich mich nochmal kurz um und begab mich dann nach Hause. Dort schaute die Sonne an einem weitgehend baluen Himmel zwischen vereinzelten Wolken hervor. Von einem Brand, gar nicht mal so weit weg, war nichts mehr zu erahnen. Nur mein Pullover roch noch ein wenig nach Rauch.

© Lars Rindfleisch

Zur Information: Bei dem geschilderten Brand in der Biebricher Rathausstraße am Dienstag den 31. August 2004 wurde kein Mensch verletzt. Das Haus wurde zur Zeit renoviert und dabei kam es vermutlich durch die Schweißarbeiten auf dem Dach zu einem Brand des Dachstuhls. Es entstand ein Schaden von etwa 200.000 €.

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