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Wasser und Feuer
Beobachtungen in Biebrich
Ich saß am Rheinufer. Auf einer kleinen Mauer
direkt bei der Ablegestelle des Rheinschiffchen
"Tamara". Der Wind wehte mir um die
Nase und es fröstelte mich leicht. Ich kramte
meinen Pullover aus dem Rucksack. Rasch wurde mir
wärmer. Ich hatte Gesellschaft von einer
hübschen, kleinen Betonfigur, die seit neustem
anscheinend dort auf der Mauer ihr Lager
aufgeschlagen hatte. Es war eine Sie, mit kurzen
blonden Haaren, einer kleinen Krone und einem
roten Näschen. Sie hatte den Blick von mir
abgewandt und schaute verträumt auf den Fluß.
Ich saß nicht weit enfernt von ihr und tat es
ihr nach. All das hatte ich schon so oft gesehen,
doch ich saß immer wieder gerne dort. Der Rhein
der ruhig in seinem Bett fließt, nur ab und an
von einem Schiff ein wenig aufgepeitscht. Die
kleine Insel auf der anderen Seite. Die nicht
weit entfernte Rheinbrücke.
Eine kleine Wandergruppe alter Damen kam
vorbei. Es wurde viel getratscht und gelacht. Ich
schnappte auf wie eine gerade von Langnese
Cremissimo schwärmte, das sich so schön leicht
aus der Verpackung holen ließe. Vor der Figur
blieben sie stehen und bestaunten sie.
"Die friert ja.", stellte eine Dame,
deren Hosenbeine hochgefaltet waren, fest.
"Hat ja auch schon eine ganz rote
Nase."
"Aber sie hat doch ein lange Hose an.",
meinte eine andere.
Ein paar Nachzüglerinnen gesellten sich noch
dazu. Eine rief mir lachend hinauf:
"Sie ist tot. Die wacht nicht mehr
auf." Allgemeine Erheiterung. "Da kann
man nichts mehr machen."
Eine Weile blieb die Gruppe noch dort stehen und
taufte die Figur auf "Mauerblümchen".
Irgendwann waren sie dann endlich weg, ohne dass
ich es mitbekommen hatte. Mittlerweile war ich
froh, dass ich mich nicht direkt neben
Mauerblümchen gesetzt hatte, denn jeder Passant
betrachte sie interessiert. Ich fühlte mich
jetzt schon reichlich deplaziert. Zum Glück
waren nicht viele Leute unterwegs.
Später stieg ich auf mein Fahrrad und
kämpfte mich gegen Einbahnstraßen in Richtung
Ortsmitte. Noch bevor ich eine der Hauptsraßen
erreicht hatte, sah ich aus einiger Entfernung
plötzlich eine Wand aus Rauch. Als ich näher
kam konnte ich dann aus einem der Hinterhöfe
stark Qualm aufsteigen sehen. Ich sah kein Feuer,
doch so starker Qualm konnte nur einen Brand
bedeuten. Ein Stück weiter sah ich, dass bereits
ein Rettungswagen eingetroffen war und die
Polizei die Straße absperrte. Wie praktisch,
dass die Polizeistation noch in der selben
Straße lag. Nach und nach trafen unter lautem
Sirenengeheul dann auch Feuerwehrwagen ein.
Verschiedene kleine und zwei große. Ich ging
weiter und beobachtete interessiert das Verhalten
der Leute. Überall blieben sie stehen und
schauten. Ein kleiner Junge und sein großer
Bruder kamen mir entgegen gerannt um näher ans
Geschehen ranzukommen. Auf einem Balkon im
Rathaus erkannte ich die Damen vom
Einwohnermeldeamt, die sich den Hals ausreckten
um mehr zu erkennen. Aus einem Friseursalon kamen
zwei hübsche Frisösen um ebenfalls nach dem
Feuer Ausschau zu halten, bis eine weiter
Frisöse mit genervtem Blick rauskam:
"Kommt jetzt rein! Ihr sollt hier nicht
gaffen, sondern arbeiten!"
Ich betrachtete kurz die Preise des
Friseursalons, die nicht ohne waren und drehte
dann um und ging erneut auf den Brandherd zu,
ebenso neugierig wie die restliche Bevölkerung
Biebrichs. Eine Frau lachte über ihr Kind, das
wie von ihr erwartet ganz begeistert von der
Feuerwehr war. Diese schloß mitlerweile einen
Schlauch an einen Hydranten an um mit dem
Löschen beginnen zu können. An der Ecke wo es
brannte hatte sich mittlerweile eine kleine
Ansammlung von Menschen gebildet. Die meisten
einfach schweigend und staunend. Ich kämpte mich
mit meinem Rad durch die Menge, vorbei an zwei
Jugendlichen, die über einen Feurwehrmann
scherzten. Vor dem Schloßpark drehte ich mich
nochmal kurz um und begab mich dann nach Hause.
Dort schaute die Sonne an einem weitgehend baluen
Himmel zwischen vereinzelten Wolken hervor. Von
einem Brand, gar nicht mal so weit weg, war
nichts mehr zu erahnen. Nur mein Pullover roch
noch ein wenig nach Rauch.
© Lars Rindfleisch
Zur Information: Bei dem geschilderten
Brand in der Biebricher Rathausstraße am
Dienstag den 31. August 2004 wurde kein Mensch
verletzt. Das Haus wurde zur Zeit renoviert und
dabei kam es vermutlich durch die
Schweißarbeiten auf dem Dach zu einem Brand des
Dachstuhls. Es entstand ein Schaden von etwa
200.000 .
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