Serien von www.thebeef.de
       
       
 

3. Die Behinderten und warum man sie lieb haben muss

Als ich mich um eine Stelle als Zivi bewarb wurde ich tausend mal gewarnt, dass ich mir das gut überlegen sollte ob ich das mit den Toilettengängen wirklich hinbekomme, obwohl ich schon längst gesagt hatte, dass das schon gehen würde (auch wenn ich mir da selbst nicht ganz so sicher war). Ich hatte geradewegs das Gefühl, die wollten mich gar nicht. Nur nebenbei fiel dann irgendwann der entscheidende Satz: Von den Behinderten bekommt man das aber tausendfach zurück.

Und wie ich es zurückbekam. Ich hätte gar nicht so oft mit ihnen auf Toilette gehen können um es ihnen wieder zurückzugeben. Nebenbei sei noch erwähnt, dass für mich relativ wenige Toilettengänge anfielen und kaum ein Problem für mich waren. Was aber haben mir die Behinderten jetzt gegeben?

Ersteinmal haben sie mir den Einstieg wesentlich leichter gemacht. In neuer Umgebung mit vielen fremden Menschen bin ich anfangs sehr zurückhaltend und es fällt mir schwer Anschluß zu finden. Nicht so bei den Behinderten. Egal wo ich mich aufhielt, in der Gruppe, in der Kantine oder draußen bei der Aufsicht überall kamen sie vereinzelt auf mich zu um mich zu begrüßen oder mir irgendetwas zu erzählen, so als hätten wir uns schon lange gekannt. Schon nach ein paar Tagen fühlte ich mich nicht mehr fremd in der Werkstatt und das ist großteils der Verdienst der Behinderten.

Diese Offenheit und Direktheit machte die Begegnung mit den Behinderten über meine ganze Zivizeit zu einem schönen und ungezwungen Erlebniss. Zudem sind unter ihnen einige Kerle und auch Mädels, die man einfach gerne haben muss, selbst wenn sie einem fortlaufend die Zunge rausschrecken, den Vogel zeigen oder sonstwie ärgern. Einer der Behinderten prägte übrigens den Ausdruck "Zwidileistender", da er es nicht auf die Reihe bekam Zivildienstleistender richtig auszusprechen.

Es gab natürlich auch Nervige deren Offenheit dann schon fast aufdringlich wird. Irgendwann habe ich dann aber angefangen mir gewisse Grenzen zu schaffen und dann war das auch weiter kein großes Problem. Wirklich nervig konnte dagegen die Sturheit mancher Behinderten sein, die sich einfach weigern auf mich zu hören, obwohl ich ansonsten gut mit ihnen klar kam. Damit musste ich aber leben, da Sturheit nunmal oft eine Eigenart von Menschen mit Down-Syndrom ist.

Eines meiner schönsten Erlebnisse mit den Behinderten war, als einer zur Begrüßung grinsend auf mich zugerannt kam, den Arm um meine Schulter legte und sagte, ich mag dich! Ein Anderer wollte mich andauernd auf dem Stuhl fest leimen um zu verhindern, dass ich nach meiner Zivizeit weggehe. Und dann war da noch der bereits erwähnte, der mir zur Begrüßung oft die Zunge rausschreckte und auch gerne mal den Vogel zeigte. Zudem fand er es sehr amüsant als es mich einmal samt einer Kiste umgehauen hatte. Manchmal konnte er mich aber auch sooo lieb anschauen, dass ich ihn einfach nur gern haben konnte.

Auch wenn sie es nicht alle gerne taten, ab und an mussten die Behinderte dann auch was arbeiten, was genau erfahrt ihr in der nächsten Folge von "Zwidileistender in einer Werkstatt für Behinderte" ...

© Lars Rindfleisch