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8. Die Zivilehrgänge oder wo bin ich denn hier gelandet?!

Auch wenn ich im Vorhinein meist wenig Lust auf die Lehrgänge hatte, habe ich sie dann doch immer mehr als Urlaub wie als sonst was gesehen und auch erlebt. Als Zivi in einer Behindertenwerkstatt war ich zu zwei Lehrgängen verpflichtet, einem staatlichen in Wetztlar und einem Lehrgang in Mühltal-Trautheim, der vom Roten Kreuz organisiert wurde.

Zuerst ging es für eine Woche nach Wetzlar. Noch am Bahnhof bin ich ein paar anderen Zivis über den Weg gestolpert mit denen ich dann die Zivildienstschule aufgesucht habe. Dort wurde ich auf ein Zimmer verwiesen und bekam einen netten Zimmerkollegen. Mit diesem, den anderen, denen ich bereits am Bahnhof begegnet war und noch zwei anderen habe ich dann Abends meistens meine Freizeit verbracht. Zu einem Saufgelage, wie viele ihre Tage in Wetzlar schildern, artete das zwar nie aus, war aber trotzdem ganz nett. Im Laufe der Woche stellte sich dann aber doch immer mehr heraus, dass ich mit diesen Typen eigentlich wenig gemeinsam hatte.

Die Tage in Wetzlar waren alles in allem sehr locker. Bis Mittags Unterricht und dann den ganzen Abend Freizeit. Der Unterricht bestand aus einem Pflichtteil, der uns über unsere Rechte und Pflichten aufklärte. Danach gab es dann einen Teil politischer Bildung, für den wir uns aus verschiedenen Themen eins auswählen durften. Ich landete im Themenbereich "Nationale Identität" (oder so ähnlich). Nicht meine erste Wahl, im Endeffekt aber sehr interessant.

Nach dem Unterricht gab es dann ein gutes Freizeitangebot. U.a. ein Kicker und ein Billardtisch standen zur Verfügung, ein Leseraum und zwei Fernsehräume. An einem Tag konnten Lampen gebastelt werden, an einem anderen hatte man sogar die Möglichkeit ein wenig zu jonglieren, zudem gab es noch diverse andere Sportangebote außerhalb der Schule. Ich freute mich natürlich besonders über das Jonglage-Angebot, dass ich dazu nutzen konnte ein wenig anzugeben ;-)

Viele bezeichneten Wetzlar ja schon als ein Kaff (was in meinen Augen ziemlich übertrieben ist), was wirklich ein Kaff ist erfuhr ich dann auf meinem zweiten Lehrgang in Mühltal-Trautheim. Abgeschnitten von der Außenwelt: Bei meiner Ankunft bekam ich schon Panik, wo war ich hier gelandet?! In der näheren Umgebung scheinbar kein Einkaufsladen, geschweige denn eine Kneipe oder ein Kino. Das Angebot in der Tagungsstätte war im Vergleich zu Wetzlar auch eher mau. Ein Raum mit Fernseher, zwei Kickern, einem extrem schrägen Billardtisch und einer Dartscheibe. Zudem wurde Abends noch eine hausinterne Kneipe geöffnet (sowas gab es in Wetzlar übrigens auch). Hier sollte ich es nun also zwei Wochen aushalten. ("Ich will wieder nach Hause!!").

Ganz so schlimm war es dann aber doch nicht, wie sich bald herrausstellte. Großer Unterschied zu Wetzlar war zudem, dass wir in Wetzlar etwas 200 Zivis waren mit Übernachtungspflicht und in Mühltal (liegt übrigens in der Nähe von Darmstadt) nicht ganz 30 Zivis ohne Anwesenheitspflicht, so dass vielleicht 15 tatsächlich auch in Mühltal übernachteten. Was den Gruppenzusammenhalt gestärkt hat, wenn ich mir anfangs wegen der wenigen Leuten auch noch etwas mehr verloren vor kam. Verschollen in Mühltal-Trautheim!

Der Unterricht war großteils auch langweiliger wie in Wetzlar. Vielleicht auch nur weil wir mehr Zeit hatten und so genauer auf die Themen eingehen konnten. Themen waren unter anderem: Erste Hilfe, Soziale Arbeit im DRK und Behindertenarbeit. Pflichten und Rechte eines Zivis durfte ich mir auch nochmal anhören. Besonders interessant dagegen waren die Erfahrungen als Blinder (mit verbundenen Augen und Lotse durch die Gegend marschieren) bei Detlev G.

Dummer Weise stand am Ende jeder Woche auch noch ein schriftlicher Test, man musste also auch noch halbwegs aufpassen. Die Ergebnisse der beiden Tests wurden zusammengefasst und am Ende hab ich mit Erfolg bestanden (im schlechtesten Fall hätte ich übrigen einfach nur bestanden).
Der Unterricht war für viele nur erträglich mit Genuss Unmengen von Kaffes, der gratis bereitgestellt worde. Das war schon nicht mehr schön, wieviel Kaffee da geschluckt wurde. Ich selbst hielt mich lieber an Tee und Wasser. Nachmittags gab es dann immer noch eine Kaffepause mit Stückchen. Über die Verpflegung konnte man also nicht meckern.

Die Freizeit war dann recht erholsam. Mein Zimmerkollege war mit Auto angereist und chauffierte mich so ab und an zu Aldi und MiniMal um für Verpflegung zu sorgen. Bei einem längeren Spaziergang entdeckte ich dann auch noch einen HL im Ort. Ansonsten hab ich viel gelesen und Musik gehört. Ab und an hab ich dann mit den anderen aber auch Kicker, Pfeile werfen und Billard gespielt oder war mit ihnen in der kleinen Kneipe. War also meistens recht nett.

Aufreibend dagegen war das ständige an- und abreisen. Da innerhalb der zwei Wochen noch ein Feiertag lag, hatte ich je drei An- und Abreisen zu bewältigen. Wenigstens kam ich nicht aus Leverkusen, wie einer von uns. Bei der zweiten Anreise hatte ich dann wenigstens Gesellschaft. Ein anderer Zivi reiste ebenfalls aus Wiesbaden an (insgesamt kamen mit mir sogar vier Zivis aus Wiesbaden). Allerdings wurde diese Reise besonders abenteuerlich, da die Züge anderst als erwartet fuhren. Als wir dann endlich in Darmstadt waren, glaubten wir kaum noch rechtzeitig in Mühltal anzukommen, da die Busverbindungen dorthin nicht die besten sind. Wir erwischten dann einen Bus der uns etwas außerhalb Mühltals rausließ. Wir, mittlerweile zu dritt, der dritte Wiesbadener war zu uns gestoßen, hatten als noch einen relativ weiten Weg vor uns und das mit Gepäck. Doch dann hatten wir gleich doppelt Glück. Erst kamen zwei Zivis auf einem Moped, die uns freundlicherweise schon mal unser Gepäck abnahmen. Wenig später dann zwei Zivis mit einem Auto, die uns dann noch den restlichen Weg mitnahmen. Die letzten zwei Rückfahrten und die letzte Anfahrt wurden dann aber zum Glück erholsamer. Der vierte Wiesbadener, mit Auto, nahm mich mit.

Erwähnt sei auch noch unser Vorgesetzter zu Mühltaler Zeiten "Sveni" Schmidtbauer. Den wir (zum Glück ?) eher selten zu Gesicht bekamen. Sveni du bist ein ganz toller ! (aber Detlev G. ist toller)

Das Essen war sowohl in Wetzlar als auch in Mühltal stets recht gut. Besonders in Mühltal war ich vom Essen begeistert. Meistens gab es ein normales und ein vegetarisches Essen und nicht selten war das vegetarische besser! Denn vegetarisch hieß nicht mit Gemüse, sondern oft sowas wie Pfannkuchen. Zudem konnte man meistens so oft nachschöpfen bsi man wirklich satt war. Als Nachtisch gab es stets Joghurt und manchmal auch leckeren Pudding. Das Abendessen war dann oft mehr eine Resteverwertung von Frühstück und Mittagessen, aber ich fands trotzdem okay auch wenn die anderen über teilweise noch nicht richtig aufgetaute Brötchen zu Recht meckerten.

Zu Mühltaler Zeiten lebte ich das Essen betreffend also vergleichsweise, wie Gott in Frankreich, wenn ich da an das denken, was uns in meiner Dienststelle als Essen teilweise vorgesetzt wurde. Über dieses "Essen" erfahrt ihr mehr in der nächsten Folge von "Zwidileistender in einer Werkstatt für Behinderte" ...

© Lars Rindfleisch